mit meinen Augen gesehen

Auf einer meiner Reisen, hatte ich mir auch vorgenommen, das Kernkraftwerk Brokdorf nördlich der Elbmündung zu besichtigen. Ich wollte Empfindungen auf mich einwirken lassen. Welchen Eindruck macht so ein Gebäude, in dem doch für uns Menschen so unheimlich gefährliches produziert wird. 

 

Als ich am Haupttor ankam, es war schon später Nachmittag, sah ich eine kleine Gruppe von Menschen, eine Mahnwache, die dort ihre Transparente ausgebreitet hatten und auf die Probleme der Kernenergie aufmerksam machten.

 

Während ich noch Fotos machte, kam ein Mann aus dieser Gruppe auf mich zu, sprach mich an und versuchte durch ein Gespräch und ein Flugblatt mein Interesse zu erwecken. Wir unterhielten uns kurz und am Ende sagte er, sie würden jetzt noch ein paar Schritte weiter zu einer Gedenkstätte gehen und dort noch für ein paar Minuten zu einem kleinen Gedenken verweilen. Er bot mir an mitzukommen, ich sagte jedoch, Zeitgründe vorschiebend, ab. Setzte mich in meinen Wagen und fuhr wieder los.

 

Als ich ein paar hundert Meter gefahren war, spürte ich, dass ich hätte dableiben sollen und besser mitgegangen wäre. Den Wagen wenden und an die Stelle zu fahren, die mir die Gruppe beschrieben hatte, war dann schnell getan.

Als ich ankam und ausstieg, sah mich der Mann mit dem ich zuvor gesprochen hatte, kurz an, wohlwollend und verstehend, ging jedoch mit keiner Bemerkung auf mein erneutes Auftauchen ein sondern erklärte mir nur den Sinn, dieses, aus drei Steinen bestehenden Mahnmals. Wie ich später erfuhr war er evangelischer Pfarrer.

Seit über 14 Jahren, immer am 6. eines jeden Monats, stehen einzelne Gruppen vor diesem Atomkraftwerk und erinnern durch ihre Anwesenheit und mit diesem Mahnmal an die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl. Am 6. deshalb, weil an diesem Datum die Atombombe auf Hiroshima fiel. Der Pfarrer erzählte mir, dass man zuerst einen Gedenkstein am Hauptportal des Atomkraftwerks hier in Brokdorf platziert hatte.

 

Dass dieser Stein aber von den Kraftwerksbetreibern entfernt worden sei mit der Begründung, 'es sei den Angestellten nicht zuzumuten jeden Tag beim Betreten und beim Verlassen des Betriebsgeländes an Tschernobyl erinnert zu werden.'

 

Eine eigenartige und zugleich entlarvende Begründung. Der Stein wurde nach innen in das Gelände verbannt aber dann hatte man die Demonstranten immer innen im Betriebsareal, deshalb kam der dann später an seine jetzige Stelle außerhalb des Zaunes.

Das Kraftwerk selbst ist gesichert wie eine mittelalterliche Festung. In der Beziehung hat sich seit Tausenden von Jahren nichts verändert. Ein Wassergraben, ein hoher Zaun mit dahinter liegender freier Sichtfläche - nur modernste Überwachungstechnik ist noch hinzugekommen.

 

Kurz zuvor war behördlicherseits beschlossen worden, dass zusätzlich zu dem Reaktor noch ein atomares Zwischenlager entsteht. Die Betriebsdauer eines solchen Lagers beträgt 40 Jahre. Keiner weiß was bis dahin ist.  Sind die Behälter dann noch sicher? Gibt es dann ein Endlager? Ist ein Transport dann immer noch möglich? 

Viele unbeantwortete Fragen, die für die nachfolgenden Generationen zum unlösbaren Problem werden können. Nun, es war eine zutiefst beeindruckende kleine Gedenkfeier dort im Schatten des kolossalen, bedrohlich wirkenden Reaktorgebäudes.

 

Ein kalter Dezemberabend und schnell aus dem Ruder laufen könnende, lebensfeindliche, alles vernichtende Technik auf der einen Seite und hier, auf der anderen Seite des Sperrgrabens eine kleine Gruppe unermüdlich sanft kämpfende Menschen.

 

Es wurden von einem Mitglied ein paar besinnliche Worte zum Nachdenken gesprochen und danach, das ja für alle christlichen Konfessionen gültige Vaterunser gebetet. Hier, im Blickkontakt mit dem vor todbringender Radioaktivität strotzenden Reaktorgebäude, bekam dieses Gebet eine ganz andere Dimension und Eindringlichkeit.

 

Wir sangen im Anschluss daran noch ein Adventslied und nach ein paar freundlichen Worten zum Abschied, machte ich mich auf den Heimweg - um Einiges nachdenklicher aber doch auch um Einiges reicher. Es war ein guter Tag.

 

Mahnwache Brokdorf - an jedem 6. eines Monats von 14 -16 Uhr. 

Atomkraftwerk mit Zwischenlager

Die Suche nach dem Gespräch und nach Auswegen

Ansprechpartner

 

Hans-Günter Werner

Rosengarten 17d

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