Wald- und Haubergswirtschaft

 

  

 

 

 

1915

Jeder, der ein Stück Hauberg gekauft oder als Mitglied der Haubergsgenos-senschaft zugeteilt bekommen hat, beginnt auf seinem Anteilsstreifen mit dem Abhieb der Weichhölzer (Birken, Ebereschen,  Weiden), sowie der nicht schälfähigen Eichen. Die schälfähigen Eichen sowie einige besonders schön gewachsene Bäume bleiben stehen, letztere als Samenbäume. Die gefäll-ten Bäume werden mit dem "Knipp", einer Art Buschmesser mit scharfer, vorne eingekrümmter Klinge an höl-zernem Griff, entastet. Die übrigge-

bliebenen Holzstangen werden mit dem Haubergsschlitten oder durch Schleifen zusammengetragen und auf Haufen am nächstgelegenen Weg ab-gelegt. Sie wurden früher zur Ver-kohlung, heute ausschließlich als Brennholz verwendet. Das anfallende Ast- und Kronenreisig wird zu "Schan-zen" gebunden. Die Schanzen werden mit dem "Schuffbock" in Wegnähe zusammengefahren, zum Trocknen

dachförmig aufgestellt und früher wie heute zum Aufheizen von Steinöfen verwendet, in denen man Brotlaibe aus Roggenmehl, Milch und Sauerteig zu würzigem "Schanzenbrot" backt. Der Abhieb durfte früher nur mit scharfen Äxten vorgenommen wer-den, weil die Meinung bestand, dass die Auschlagfähigkeit der Stöcke bei Verwendung von Sägen leiden könne. Heute werden die Weichhölzer über-

wiegend mit der Motorsäge umge-schnitten, ohne dass sich wesentliche Nachteile für den Stockausschlag ergeben hätten. Zur Vorbereitung der landwirtschaftlichen Zwischennutzung der Schlagfläche wird nach dem Abfahren der Lohe der Bodenüberzug aus Gräsern, Kräutern und Zwerg-Sträuchern mit der Hainhacke abgeschält. Die entstehenden Rasensoden werden getrocknet, bis sich die anhaftende Erde ausklopfen lässt (Brasen-

klopfen). Die verbleibenden organi-schen Reste werden auf kleine Haufen zusammengezogen und verbrannt (Brasenbrennen), die entstehende Asche am nächsten  Tag über die ge-samte Schlagfläche  verteilt. In die durch Hacken und Brennen vorbe-reitete Fläche wird Roggen gesät und die Saat anschließend mit einem rä-derlosen Hakenpflug Erde bedeckt. Winterroggen reift im August des

Folgejahres. Der Roggen wird zur Reifezeit mit der Sichel geschnitten, zu Garben gebunden und zu Korn-rittern zusammengestellt, bis sie dreschtrocken sind und eingefahren werden können, um im Hauberg auf Tüchern oder im Winter auf der bäuerlichen Tenne  gedroschen wer-den zu können. Die Verwendung von Sensen zur Kornernte im Hauberg war früher verboten, weil dabei allzu leicht

die jungen Stockausschläge, die aus den Wurzeln der Laubbäume sprießen und die Grundlage für künftige Holz-nutzungen bilden, beschädigt werden könnten. Roggenmehl aus Haubergs-korn ergibt ein ganz besonders schmackhaftes Schwarzbrot. Nach einer Schonzeit von fünf bis sieben Jahren, bis die neuen Stockausschläge etwa neun Jahre alt waren, wurde sie-

ben bis elf, im Mittel neun Jahre lang, Vieh (Rindvieh oder Schafe) zur Waldweide in den Hauberg getrieben. Dann folgte der erneute Abtrieb. Alle Haubergsarbeiten waren zeitlich und sachlich aufeinander abgestimmt. So z.B. war die Entfernung des Reisigs für Brennzwecke Voraussetzung der Bo-denbearbeitung zwecks landwirt-schaftlicher Zwischennutzung. Die Lo-

hegewinnung zur Zeit der stärksten Kambium-Aktivität der Eiche kann gerade so rechtzeitig abgeschlossen werden, dass die Eiche danach noch aus dem Stock ausschlagen und überlebensfähige Triebe bilden kann. Eichenrinde enthält 10-11% Reingerb-stoff und eignet sich deshalb vorzüg-lich zum Gerben von Tierhäuten zu hochwertigem, strapazierfähigem Le-der. Die Eichenrinde ("Lohe") wird am stehenden Stamm gewonnen, indem man die Stämmchen zur Zeit des Laubaustriebs der Eichen mittels ei-nes Spezialwerkzeugs, des Lohlöffels oder Schöwwels bis in 4-5m Höhe entrindet, die Rindenröhre einige Tage lang zum Trocknen am geschäl-

 

 

 

 

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ten Stamm hängen lässt, um sie da-nach abzureißen, zu verwiegen  und an die Lohmühle bzw. Gerberei abzu-geben. Die geschälten Eichenstangen werden möglichst bald nach der Ab-nahme der Lohe ähnlich wie einige Wochen zuvor die Weichhölzer mö-glichst dicht über dem Erdboden mit einem möglichst glatten Hieb oder Schnitt abgetrennt. Die Schälstangen wurden ursprünglich wie die Weich-holzstangen ausschließlich zur Ver-kohlung verwendet, heute entspre-chend zum Verbrennen, ausnahms-weise zur Herstellung rustikaler Gar-tenmöbel. Das Reisig der Schäleichen wird ebenfalls zu Schanzen gebunden

 

Ein weiteres wichtiges Merkmal des Haubergs ist, dass das Waldeigentum gemeinschaftliches Eigentum der Be-wohner einer Ortschaft ist, die den Hauberg auch gemeinschaftlich bewirt-schaften. Die Anteilseigner bilden eine Haubergsgenossenschaft mit einem Vorstand und einem Vorsitzenden des Vorstandes, dem so genannten Hau-bergs- oder Waldvorsteher. Neben den Besonderheiten der Wirtschaftsform weist also der Hauberg andere Beson-derheiten der Baumartenzusammen-

setzung, der Vielfachnutzung, der Eig-entumsform und der gemeinschaft-lichen Bewirtschaftung auf. Alle diese Besonderheiten haben historische Ur-sachen. Nicht nur die Anteilsberech-tigten, sondern alle Dorfbewohner durf-ten früher soviel Stück Vieh (meist nur Rindvieh, gelegentlich auch Schafe) während des Sommers im Hauberg weiden lassen, wie sie aus eigenen Futtervorräten im Winter ernähren konnten. Ziegen waren wegen ihrer schädlichen Wirkung auf den Wald vom

Weidegang ausgeschlossen. Ausge-schlossen waren auch Haubergsflä-chen, deren Aufwuchs jünger als 5 - 7 Jahre  war, weil auf ihnen das Vieh die Wipfel der Stockausschläge verbissen haben würde. Die Waldweide geschah unter Aufsicht eines von der Gemeinde angestellten Hirten, der dafür bezahlt wurde und reihum in den beteiligten Häusern zu Tisch saß. Zur Erleich-terung der Aufsicht trugen die Herden-tiere im Klang abgestimmte Glocken an kunstvoll geschnitzten und bemalten Holzbügeln  um den Hals. Um die Jahr-

hundertwende vom 19. zum 20. Jahr-hundert  erkannte man, dass die Wald-weide überwiegend nachteilig für den Wald und zugleich unzureichend für die Ernährung der durch Züchtung inzwi-schen leistunsfähiger und anspruchs-voller gewordenen Rinderrassen war. Durch Rodung von Teilflächen des Hau-bergs wurden deshalb Weideflächen ge-schaffen. Nach und nach werden die ge-nossenschaftlichen Hauberge aus Nie-derwald in Hochwald umgewandelt und so dominieren Fichtenforste überwie-gend das heutige Bild.

 

 

 

 

Copyright 05/2004    Hans Peter Schneider